Die überschuldete Erbschaft. Wie kann der Erbe reagieren?

Im Erbfall haben die Erben Anspruch auf die Vermögenswerte aus dem Nachlass. Falls beim Eintritt des Erbfalles klar ist, dass keine Gefahr der Überschuldung des Nachlasses droht, besteht zunächst kein Handlungsbedarf. Nach Ablauf der sechswöchigen Ausschlagungsfrist vermischt sich das Vermögen des Erblassers mit dem Vermögen des Erben und es kann ein Erbschein beim zuständigen Nachlassgericht beantragt werden.

Probleme entstehen in der Praxis, entweder

  • wenn die Erben zum Zeitpunkt der Erbschaft davon ausgehen müssen, dass der Nachlass insgesamt überschuldet ist und somit die Verbindlichkeiten des Erblassers die Vermögenswerte übersteigen

oder

  • zum Zeitpunkt des Erbfalls noch nicht abgesehen werden kann, ob das Vermögen ausreicht, um die Verbindlichkeiten zu decken.

Im Extremfall kann eine unerkannte Überschuldung des Nachlasses zur eigenen Insolvenz des Erben führen. In jedem Fall empfiehlt es sich, spätestens bei drohender Überschuldung fachmännischen Rat zur Entscheidung über das weitere Vorgehen einzuholen.

Hierbei ist insbesondere auf die Insolvenzantragspflicht des Erben nach § 1980 BGB hinzuweisen. Hat der Erbe Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit oder der Überschuldung des Nachlasses ist er verpflichtet, unverzüglich die Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahren zu beantragen.

Sonderproblem: Erbschaft nach Tod des Ehepartners

Schwierig wir die Abgrenzung beim Tod eines Ehepartners, da es sich bei einer Gläubigerforderung einerseits grundsätzlich um eine Nachlassverbindlichkeit handeln kann, aber gleichzeitig immer zu überprüfen ist, ob nicht der überlebende Ehegatte selbst auch gesamtschuldnerisch mithaftet. Der klassische Fall sind Darlehensverbindlichkeiten aus einem Darlehensvertrag, den die Ehegatten gemeinsam abgeschlossen hatten.

In diesem Fall ist dringend zu empfehlen, dass nach dem Erbfall sämtliche Verbindlichkeiten auch dahingehend überprüft werden, ob der Erbe für diese Verbindlichkeiten nicht ebenfalls gesamtschuldnerisch und damit persönlich haftet. Für diese Verbindlichkeit hätte jedenfalls die Ausschlagung einer Erbschaft oder eine sonstige Maßnahme im Ergebnis keinen „Erfolg“, da sich der Gläubiger auch nach Ausschlagung der Erbschaft direkt beim Erben schadlos halten könnte.

Handlungsmöglichkeiten des Erben

Im Folgenden möchten wir Ihnen die verschiedenen Handlungsalternativen des Erben aufzeigen, abhängig davon zu welchem Zeitpunkt der Erbe erkennt, dass der Nachlass womöglich überschuldet ist.

Innerhalb von 6 Wochen

Der Erbe sollte innerhalb der ersten sechs Wochen nach Erbanfall die Möglichkeit nutzen, um sich einen vollständigen Überblick über das Vermögen des Erblassers zu machen. Für den Fall, dass der Erbe eine Überschuldung des Nachlasses feststellt, muss er innerhalb von sechs Wochen die Erbschaft gemäß §§ 1943, 1944 BGB ausschlagen, um sich der Erbenhaftung grundsätzlich zu entziehen. Zur Feststellung einer möglichen Überschuldung, wird bei umfangreichen Erbschaften idealerweise ein Überschuldungsstatus erstellt, der dann alleine Basis für die endgültige Entscheidung sein kann. Hierbei können wir Sie unterstützen, insbesondere auch in Bewertungsfragen.

Nach Ablauf von 6 Wochen bis 3 Monate

Wenn der Erbe die Erbschaft nicht ausschlägt, die Ausschlagungsfrist bereits verstrichen und kein Anfechtungsrecht auf Ausschlagung (§§ 1949 – 1957 BGB) besteht, haftet der Erbe unbeschränkt mit seinem eigenen Vermögen für die Nachlassverbindlichkeiten gemäß § 1967 BGB. Unter die Nachlassverbindlichkeiten fallen alle Schulden des Erblassers, insbesondere auch die Verbindlichkeiten aus Pflichtteilsrechten, Vermächtnissen und Auflagen.

Wenn der Erbe zu diesem Zeitpunkt erst feststellt, dass es Anhaltspunkte für eine Überschuldung des Nachlasses gibt, hat er innerhalb bestimmter Fristen ab Anfall der Erbschaft grundsätzlich noch nachfolgende Möglichkeiten, um negativen Auswirkungen auf sein eigenes Vermögen vorzubeugen oder diese zu vermeiden:

Der Nachlass ist schwer einzuschätzen

Ist sich der Erbe über den Bestand des Nachlasses im Unklaren, kann er kurzfristig ein Aufgebotsverfahren beantragen, bei dem alle Nachlassgläubiger zur Anmeldung ihrer Forderung gegen den Nachlass aufgefordert werden. Wenn Gläubiger ihre Forderungen nicht anmelden, können sie später mit ihren Forderungen ausgeschlossen werden, wenn der Nachlass zur Befriedigung nicht ausreicht (§ 1973 BGB). Gleichzeitig erhält der Erbe eine Übersicht über die tatsächlichen Verbindlichkeiten.

Der Antrag für ein Aufgebotsverfahren ist immer noch nicht weit verbreitet, auch wohl da die Durchführung ohne kompetente, anwaltliche Hilfe, kaum zu bewerkstelligen ist.

Innerhalb von 3 Monaten (Sog. Dreimonatseinrede)

Als weitere Option ist nach § 2014 BGB der Erbe berechtigt, innerhalb von drei Monaten nach der Annahme der Erbschaft die Begleichung von Nachlassverbindlichkeiten zu verweigern. Innerhalb dieser Frist wird dem Erben damit die Möglichkeit eröffnet, den Nachlass zu sichten und zu entscheiden, ob er seine persönliche Haftung auf den Nachlass wegen dessen auch nur drohender Überschuldung beschränken muss, indem er hiernach entweder

 

  • die Nachlassverwaltung gemäß §§ 1975 und 1981 BGB,

oder

  • die Durchführung eines Nachlassinsolvenzverfahrens (nach §§ 1975 und 1980 BGB in Verb. mit §§ 315 ff der Insolvenzordnung)

beantragt.

Welche Maßnahme ihre persönliche Situation erfordert und empfehlenswert ist, sollte durch einen hierauf spezialisierten Rechtsanwalt überprüft werden. Bei erkennbarer Überschuldung droht andernfalls die Schuldenhaftung des Erben.

Nachlassverwaltung gemäß § 1981 BGB

Falls sich die Erben für die Aufstellung eines Überschuldungsstatus und des Nachlassverzeichnisses, oder der anschließenden Abwicklung und Auseinandersetzung des Nachlasses Erbes emotional oder zeitlich und fachlich nicht in der Lage sehen, haben der oder die Erben gemeinschaftlich die Möglichkeit, gemäß § 1981 BGB eine Nachlassverwaltung zu beantragen. Nachteil der Nachlassverwaltung ist, dass für die Nachlassverwaltung Kosten entstehen, die vorab aus dem Nachlass befriedigt werden, somit das für die Erben verbleibende Erbanspruch schmälern.

Eine Nachlassverwaltung dient aber der Klärung des Nachlasses mit dem Ziel, vorab die Gläubigeransprüche zu befriedigen und gerade bei drohender Überschuldung eine später schwer zu entwirrende Vermischung von Nachlass und Vermögen der Erben zu vermeiden. Eine Nachlassverwaltung kann daher auch von einem Nachlassgläubiger beantragt werden, falls berechtigte Gründe bestehen.

In jedem Fall wird durch die Nachlassverwaltung die Haftung auf den Nachlass beschränkt, der durch die externe Verwaltung vom Vermögen des Erbes separiert wird. Die Befugnis zur Verwaltung des Erbes geht auf den Nachlassverwalter über, der alle Verbindlichkeiten berichtigen soll und als Partei handelt, an die die Ansprüche der Gläubiger zu richten sind.

Stellt der Nachlassverwalter fest, dass das Erbe überschuldet ist oder Zahlungsunfähigkeit besteht, muss er das Nachlassinsolvenzverfahren beantragen. Die Nachlassverwaltung endet mit der Eröffnung dieses Verfahrens.

Nachlassinsolvenzverfahren

Das Nachlassinsolvenzverfahren hat allein das Ziel, die Ansprüche der Gläubiger zu gleichen Teilen (quotal) aus dem Nachlass des Erblassers zu befriedigen, ohne dass hierfür das Vermögen des oder der Erben herangezogen werden kann.

Das Verfahren kann von jedem Erben, vom Testamentsvollstrecker oder Nachlassverwalter, oder auch von jedem Nachlassgläubiger beantragt werden, sofern seit der Annahme des Erbes nicht mehr als zwei Jahre verstrichen sind.

Nach Antragstellung wird vom Insolvenzgericht festgestellt, ob tatsächlich eine Überschuldung oder eine Zahlungsunfähigkeit des Nachlasses vorliegt und der Nachlass überhaupt ausreicht um das Verfahren zu eröffnen.

Möglichkeit der Dürftigkeitseinrede

Sollte der Nachlass nicht einmal ausreichen um die Kosten des Verfahrens zu decken, wird das Insolvenzgericht die Eröffnung des Verfahrens mangels Masse ablehnen. In diesem Fall hat der Erbe die Möglichkeit gegenüber den Nachlassgläubigern die sog. Dürftigkeitseinrede gemäß § 1990 BGB zu erklären und damit letztlich jegliche Zahlung zu verweigern.

Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens

Falls ausreichend Masse für die Eröffnung des Verfahrens vorhanden ist, nimmt der eingesetzte Insolvenzverwalter den Nachlass in Besitz und entwirft ein Teilungsplan aus dem sich die anteilige Befriedigung der Nachlassgläubiger und die Begleichung der Verfahrenskosten ergibt.

Im Ergebnis ist jedem Erben zu empfehlen, sich umgehend nach Eintritt des Erbfalles einen Überblick über das Vermögen des Schuldners zu machen und bereits bei geringen Anzeichen einer möglichen Überschuldung umgehen Kontakt zu einem spezialisierten Rechtsanwalt aufzunehmen, um negative Auswirkung der Erbschaft auf das eigene Vermögen zu vermeiden.

Falls Sie als Erbe mit derartigen Problemstellungen konfrontiert sind, zögern Sie nicht uns anzurufen unter 06021/4376960 oder schriftlich mit uns Kontakt aufzunehmen unter info@eb-legal.com. Wir helfen Ihnen gerne weiter.

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