Das Risiko für Gläubiger im Falle einer Insolvenz bleibt hoch
Trotz der Novellierung des Anfechtungsrechtes Anfang 2017 und geänderter Rechtsprechung des BGH aus dem Januar 2018 sind Gläubiger weiterhin gut beraten, sich bereits bei Eintritt von Zahlungsverzögerungen schnellstmöglich der Unterstützung durch spezialisierte Fachanwälte zu versichern. Die Reform der Insolvenzanfechtung sollte Gläubigern eigentlich größere Rechtssicherheit bei einem Forderungseinzug im Vorfeld einer Insolvenz des Schuldners verschaffen und die „Flut“ der Rückzahlungsforderungen durch Insolvenzverwalter einbremsen. Tatsächlich hat die Reform aber aktuell zu noch mehr Rechtsunsicherheit und Auslegungsproblemen geführt, weshalb im Ergebnis bei Eintritt der Insolvenz des Schuldners weiterhin ein latentes Anfechtungsrisiko besteht, das durch einen fachlich richtig begleiteten Forderungseinzug zumindest minimiert werden kann.
Einzelheiten der Gesetzesreform von 2017
Die Gesetzesreform hat in bestimmten Fällen die Anfechtungsfrist bei der sogenannten „Absichtsanfechtung“ nach § 133 InsO für Insolvenzverwalter von zehn auf vier Jahre herabgesetzt. Diese unverhältnismäßig lange Frist betraf tatsächlich nur rund zehn Prozent der tatsächlichen Anfechtungen und bringt damit im Ergebnis keine echte Verbesserung für die Mehrzahl der bislang problematischen Fälle. Auch wenn nach der Reform Fälle des sogenannten unmittelbaren Leistungsaustausches (Bargeschäft) vor Anfechtung durch den Insolvenzverwalter geschützt sind, ergeben sich weiterhin erhebliche Abgrenzungsrisiken. Einen solchen Leistungsaustausch erkennt die Rechtsprechung nur in sehr engen zeitlichen und tatsächlichen Grenzen an, die nach Fallgruppen unterschiedlich sind und daher auch der Prüfung im Vorfeld durch einen fachkundigen Berater bedürfen.
Auch wenn die Vereinbarung von Ratenzahlungen nach der Reform kein alleine ausreichendes Indiz mehr auf das Vorliegen einer Zahlungsunfähigkeit des Schuldners sein soll, hatten sich bereits vor der Reform entsprechende Urteile nur in den wenigsten Fällen allein auf das Beweisanzeichen der Ratenzahlung gestützt. Werden aber wie häufig zwangsläufig im Rahmen der Verhandlungen über eine Ratenzahlung weitere Hinweise auf Zahlungsunfähigkeit deutlich und erkennbar, wird die Gefahr durch Anfechtung wieder latent.
Wann hat der Gläubiger Kenntnis von einer Zahlungsunfähigkeit?
Dreh- und Angelpunkt für die Anfechtbarkeit bleibt somit weiterhin der Zeitpunkt, ab dem einem Gläubiger die Kenntnis oder das Erkennen müssen der Zahlungsunfähigkeit eines Schuldners zugerechnet werden kann. Sämtliche ab diesem Zeitpunkt geleisteten Zahlungen oder Teilzahlungen sind mit dem Risiko behaftet, dass diese im Fall des tatsächlichen Eintrittes der Insolvenz des Schuldners von dem Insolvenzverwalter zurückgefordert werden können.
Wann einem Gläubiger diese Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit zugerechnet werden kann, bestimmt sich weiterhin an einer Vielzahl ausschließlich in der einschlägigen Rechtsprechung entwickelter Indizien und Anknüpfungstatsachen, ohne deren Kenntnis Vermeidungsstrategien nicht entwickelt und beachtet werden können.
Die Gesetzesreform zur Eindämmung der Zahl von anfechtungsrechtlich begründeten Rückzahlungsforderungen durch Insolvenzverwalter hat ihr Ziel damit nicht erreicht. Mehr als ein Jahr nach Verabschiedung der Reform weisen die Statistiken nochmals einen Anstieg der Anfechtungen und damit ein hohes Risiko für nicht richtig beratene Gläubiger aus, bereits wirksam realisierte Forderungen wieder zu verlieren.
Das BGH Urteil vom Januar 2018 erhöht die Komplexität
Ursprünglich war man davon ausgegangen, dass das Urteil des BGH vom 18. Januar 2018 (IX ZR 144/16) die Verbesserung der Rechtslage für durch Anfechtung in Anspruch genommene Gläubiger durch die Gesetzesreform zeigt und Anfechtungsrisiken entschärft. Bei kritischer Betrachtung zeigt sich aber nach diesem aktuellen Urteil, dass der BGH die Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners auch weiterhin nach seinen zu der ursprünglichen Rechtslage entwickelten Anknüpfungstatsachen und Indizien zurechnen will.
Zusammenfassend sehen selbst viele Richter die Auswirkungen der Rechtsreform kritisch, da diese ihrer Ansicht nach zu viele Unwägbarkeiten und Auslegungsmöglichkeiten offen lässt. Selbst die Begrifflichkeiten in den reformierten Gesetzestexten sind in manchen Punkten bislang nicht definiert oder teilweise unglücklich formuliert, weshalb weiterhin langwierige und unsichere Verfahren über mehrere Instanzen drohen, die den ursprünglichen Gläubiger selbst in seiner wirtschaftlichen Existenz gefährden können.
Viele Verfahren sind zudem im Voraus unkalkulierbar, da die Komplexität und Materie des Anfechtungsrechts viele erstinstanzliche Richter überfordert und schreckt, da man es weiterhin an den meisten Gerichten verabsäumt, Spezialkammern mit speziell geschulten Richtern einzurichten.
Fachliche Beratung und schnelles Handeln gegen Rechtsunsicherheit
Damit wird auch nach der Reform des Anfechtungsrechts nach wie vor in den häufigsten Fallgruppen das schnelle und zielgerichtete Titulieren bei überfälligen Forderungen die sicherste Methode bleiben, sich gegen spätere Anfechtungsansprüche abzusichern. Aber nachhaltig wirkt diese Absicherung auch nur dann, wenn in der anschließenden Vollstreckung keine weiteren „Fehler“ begangen werden, die neue Anfechtungsmöglichkeiten eröffnen.
Der beste Weg aber, langwierige Prozesse mit meist unplanmäßigem Ausgang und damit einhergehenden, wirtschaftlichen Risiken zu vermeiden, ist und bleibt, wenn möglich bereits in der Vertragsgestaltung, spätestens aber durch ein fachlich gut begleitetes Forderungsmanagement Anfechtungsrisiken zu vermeiden oder zumindest zu minimieren!
Welches Vorgehen jedoch tatsächlich angebracht und geboten ist, kann weiterhin nur durch die fachkundige Betrachtung aller Aspekte des jeweiligen Einzelfalls richtig entschieden werden.